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01. September 2021

Ampel-Koalition am wahrscheinlichsten

Selten war eine Wahl so offen wie die anstehende Bundestagswahl. Zwar ist eine grüne Kanzlerin nicht mehr realistisch, aber die möglichen Szenarien sind dennoch ungewohnt. Klar ist, dass alles anders wird. Was hieße Rot-grün-gelb für die Immobilienbranche?

Da die beiden wesentlichen politischen Themen diesmal Klimawandel und bezahlbares Wohnen sind, kommt die Immobilienwirtschaft nicht umhin, sich intensiv mit dem möglichen Ausgang der Wahl auseinanderzusetzen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es erstmals auf Bundesebene ein Dreierbündnis geben müssen, um eine Regierung zu bilden. Welche ungewohnten Konsequenzen das mit sich bringt, wird erst klar, wenn man die Konstellationen durchdenkt.

Die Prognosen der letzten Wochen deuten darauf hin, dass die meisten Regierungsoptionen die SPD haben wird. Aus unserer Sicht ist damit trotz aller Unsicherheiten eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP der wahrscheinlichste Ausgang. Dies gilt umso mehr, wenn eine mögliche Koalition mit den Linken als Drohkulisse dient und so die FDP zur Regierungsbildung gedrängt werden kann. Rot-grün-rot halten wir unter einem Kanzler Scholz für keine wahrscheinliche Option.

Der Blick in das Wahlprogramm von SPD, Grünen und FDP zeigt wenig überraschend, dass die Vorstellungen der FDP auf der einen Seite und der Grünen auf der anderen Seite in Bezug auf die Immobilienwirtschaft, insbesondere die Regulierung des Wohnungsmarktes sehr unterschiedlich ausfallen. Erstaunlich ist aber, dass bei allen Parteien das Thema Wohnen erst im hintersten Teil der Wohnprogramme aufgeführt wird, bei den Grünen am ausführlichsten, bei der FDP vergleichsweise knapp. Parallelen zur Priorität sind hoffentlich zufällig. Nachfolgend eine kleine Auswahl aus den Wohnprogrammen ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

SPD und Grüne wollen die Mietpreisbremse verschärfen und entfristen, die FDP diese hingegen abschaffen. Weiterhin wollen SPD und Grüne Mieterhöhungen begrenzen: die SPD auf die Inflationsrate, die Grünen hingegen auch bei energetischer Sanierung auf 1,50 pro Quadratmeter, um warmmietenneutrale Mieterhöhungen zu erreichen.  Die FDP will hingegen sozial schwache möglichst mit Wohngeld und erst ersatzweise mit Sozialwohnungen fördern. Es gibt aber nicht nur Gegensätze. Interessanterweise wollen FDP und Grüne Share Deals verhindern, die FDP aber nur bei „missbräuchlicher Umgehung der Grunderwerbsteuer“. Ebenfalls wollen beide den Eigentumserwerb für Selbstnutzer durch niedrigere Grunderwerbsteuer erleichtern.

Der Wunschzettel von SPD und Grünen umfasst aber noch eine Reihe weiterer Regulierungen, die mit dem liberalen Ansatz der FDP kaum vereinbar sein dürften. So will die SPD weiterhin Mietwucher wirksam unterbinden, ein Vorkaufsrecht für Kommunen „zu fairen Preisen“, Abschaffung der Steuerfreiheit für vermietete Immobilien, einen „Planungs­wertausgleich gegen „leistungslose Bodenwertgewinne“, ein zentrales Immobilienregister; Erleichterung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen, Förderung von Mietkaufmodellen sowie Mietpreis­begrenzungen und Mieterschutz bei Gewerbeimmobilien.

Am ausführlichsten beschäftigen sich die Grünen mit dem Thema Wohnen, Bauen und Stadtplanung. Sie wollen Kündigungen bei Zahlungsverzug verhindern, Mittel für Sozialwohnungen erhöhen und verstetigen und so eine Million zusätzliche Sozialwohnungen in zehn Jahren schaffen. Nebulös formuliert soll in angespannten Wohnungsmärkten die Möglichkeit für „landesgesetzliche Regelungen“ geschaffen werden – der Mietendeckel lässt grüßen. Innovativ ist auch der Ansatz, dass „flächensparendes Wohnen“ erreicht werden soll, indem Mieter ihre „Wohnungen samt den bestehenden Verträgen“ tauschen dürfen. Die Kommunen sollen ein Vorkaufsrecht erhalten „auf Basis eines Ertragswerts, der bezahlbare Mieten sichert und spekulative Wertsteigerungen unterbindet“, mit anderen Worten „Deckeln und Enteignen“ bei Transaktionen.

Leider wenig innovativ die Ansätze der FDP. Diese will die Abschreibung für Wohnungsbau auf 3% erhöhen, Vorschriften beim Bau abschaffen, Baukosten senken und Baugenehmigungen beschleunigen sowie die Nachverdichtung fördern.

Zinsentwicklung

Im August sind die langfristigen Zinsen zunächst gesunken, gegen Monatsende aber wieder gestiegen. So betrug der 10-Jahres-Zinswap am Monatsanfang -0,06 Prozent und sank im Monatsverlauf auf bis zu -0,11 Prozent, betrug am Monatsende jedoch wieder -0,04 Prozent. Die kurzfristigen Zinsen verändern sich nur wenig. Der 3-Monats-Euribor sank geringfügig von -0,543 am Monatsanfang auf -0,550 Prozent am Monatsende. Der 6-Monats-Euribor sank von -0,523 auf -0,529 Prozent.

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Ausblick

Welche Bedeutung haben die obigen Überlegungen nun für die Immobilienwirtschaft? Aus unserer Sicht ist Rot-grün-rot, selbst wenn es dafür reichen sollte, kein sehr wahrscheinliches Szenario. Berliner Verhältnisse im Bund bleiben uns daher hoffentlich erspart. Bei allen Prognoseunsicherheiten sehen wir eine Regierungsbildung unter Führung der SPD am wahrscheinlichsten an. Die FDP wird sich nicht erneut einer Regierungsbeteiligung verweigern können und kann sich zudem damit rechtfertigen, ein linkssozialistisches Bündnis zu verhindern. Es bleibt zu hoffen, dass sich die FDP zum einen den Eintritt in eine Ampelkoalition teuer bezahlen lassen wird und zum anderen das Thema Immobilienwirtschaft für die Liberalen eine hohe Priorität hat. Ansonsten wird die Regulierungsspirale im Wohnungsrecht ein weiteres Mal angezogen, womit das Problem des bezahlbaren Wohnens zumindest für Wohnungssuchende weiterhin ungelöst bleiben wird.

Disclaimer:
Die Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Gleichwohl übernehmen Anbieter und Autoren keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereit gestellten Informationen. Insbesondere sind die Informationen allgemeiner Art und stellen keine rechtsbindende Beratung dar.   

Herausgeber

Francesco Fedele und Prof. Dr. Steffen Sebastian

Francesco Fedele    Prof. Dr. Steffen Sebastian

Prof. Dr. Steffen Sebastian
Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung
an der IREBS, Universität Regensburg

Francesco Fedele
CEO, BF.direkt AG

 

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