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02. März 2022

Ukrainekrise: Ökonomische Folgen für Europa kaum absehbar

Die Ukraine Krise hat verschiedene Effekte auf Europa: Rohstoffpreise könnten steigen, die allgemeine Konjunktur hingegen schwächeln. Die Krise trifft Europa (und in geringerer Form die USA) zu einer Zeit, die ohnehin von Inflation, Pandemiefolgen und anderen Unsicherheiten geprägt ist. Die EZB will unter „Stressbedingungen“ flexibel reagieren. Wie es mit der Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantiks weitergeht.   

Die Auswirkungen der Ukraine-Kreise sind weitreichend: Auch wenn die menschliche Tragödie im Vordergrund stehen sollte, so hat diese Krise und insbesondere auch die Effekte auf die Länder außerhalb der Ukraine vor allem eine ökonomische Komponente. Zynischerweise müssen uns auch in dieser Analyse vor allem die Folgen für die Zinsen beschäftigen. Es sei vorangestellt, dass die Auswirkungen alles andere als klar sind. Zum einen ist die Inflation in der Eurozone weiterhin hoch. Hinzu kommt: Durch die erwarteten Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die ab einem bestimmten Zeitpunkt leider auch die Ukraine betreffen, werden die Lieferketten zusätzlich gestört werden. Dies betrifft vor allem die Versorgung mit Rohstoffen.

Russland ist nicht nur Deutschlands wichtigster Lieferant für Erdgas, Erdöl und Kohle, sondern gemeinsam mit der Ukraine weltweit ein wichtiger Exporteur für viele andere Rohstoffe wie etwa Metalle, insbesondere Nickel, Aluminium und Titanschwamm, aber auch für Düngemittel und Lebensmittel, hier insbesondere Weizen. Die Ukraine ist zudem weltweit einer der wichtigsten Produzenten für Edelgase, die für die Chipherstellung benötigt werden. Kriegsbedingt ist in jedem Fall damit zu rechnen, dass Exporte aus der Ukraine kurzfristig ganz ausfallen. Danach ist es entscheidend, wie entschlossen die Sanktionen der restlichen Welt tatsächlich sein werden. In jedem Fall wird die Versorgung mit Rohstoffen leiden und hieraus resultierende Preissteigerungen werden sich sehr bald auch in den Konsumentenpreisen bzw. der Inflation auswirken.

Auf der anderen Seite wird die Russlandkrise zu einem Abschwung in der Konjunktur führen. Erneut wird dies davon abhängen, wie weitreichend die Sanktionen tatsächlich ausfallen. Derzeit halten wir es eher für unwahrscheinlich, dass die Regierungen bereit sein werden, starke Einbußen für die eigene Wirtschaft langfristig aufrecht zu erhalten. Wie immer wird es hier auf die USA ankommen. Über die Entwicklungen der nächsten Monate und Jahre können wir jedoch nur spekulieren.

Bei einer Konjunkturschwäche ist es nicht sinnvoll, die Zinsen zu erhöhen. Bei höherer Inflation hingegen schon. Insofern ist hier auf dem ersten Blick ein Konflikt zu sehen. Allerdings haben wir nicht wirklich eine klassische Inflation durch eine Lohn-Preis-Spirale. Dies wäre gegeben, wenn in Zeiten boomender Märkte durch hohe Nachfrage die Preise steigen und die Arbeitnehmer daraufhin Lohnerhöhungen fordern. Dies wiederum lässt über höhere Herstellungskosten für Güter und Dienstleistungen die Preise steigern, womit der Kreislauf geschlossen wäre. Aktuell beobachten wir aber steigende Preise bei stagnierendem Wirtschaftswachstum, was auch als „Stagflation“ bezeichnet wird. Steigende Zinsen in einer Stagflation führen tendenziell zu einer weiteren Abschwächung der Konjunktur – keine gute Idee bei einem Wirtschaftssystem, dass ohnehin durch die Russlandkrise einen Schock zu verkraften hat (und haben wird). Prinzipiell war diese Aussage aber auch schon vor der Invasion der Ukraine richtig. Dennoch hat die Europäische Zentralbank (EZB) Zinserhöhungen und eine Beendigung der Anleiheankäufe sowie weitere Anpassungen der Geldpolitik in Aussicht gestellt. Im Ergebnis sind sowohl die langfristigen Swap-Sätze als auch die Endverbraucherkonditionen für langfristige Zinsfestschreibungen in wenigen Wochen um 0,5 Prozentpunkte (50 Basispunkte) gestiegen.

Zu erwarten ist auch, dass die US-amerikanische Notenbank FED an ihrer angekündigten Politik der schrittweisen Zinserhöhungen festhält, da die Auswirkungen der Russlandkrise auf die USA deutlich geringer als auf Europa sind. Werden die Zinsdifferenzen zwischen der USA und dem Europäischen Währungsraum aber zu groß, hat dies Auswirkungen auf die Kapitalströme und damit auf den Wechselkurs. Damit werden Importe aus dem Ausland teurer, was die Inflation zusätzlich verstärken könnte.  Zwar sind die Handlungen der FED für die EZB zunächst ohne Belang; grundsätzlich beobachtet die EZB nur die Entwicklung der Inflationsrate in ihrem Währungsraum. Auf lange Sicht wird sie die Auswirkungen der Zinsdifferenzen aber nicht ignorieren können.

Zinsentwicklung

Im Februar sind die langfristigen Zinsen abermals deutlich gestiegen. So stieg der 10-Jahres-Zinswap von 0,46 Prozent am Monatsanfang auf 0,88 Prozent am Monatsende. Der Anstieg bei den kurzfristigen Zinsen fiel dagegen moderater aus. Der 3-Monats-Euribor stieg geringfügig von -0,547 Anfang Februar auf zuletzt -0,533 Prozent. Der 6-Monats-Euribor stieg ebenfalls leicht von -0,503 am Monatsanfang auf zuletzt -0,493 Prozent (Stand: 28.02.2022).

2022-03_Zinsentwicklung Februar.png

Ausblick

In Summe haben wir derzeit bei jedem Versuch einer Prognose eine Reihe von gegensätzlichen Faktoren und eine gewaltige Portion Unsicherheit zu berücksichtigen. Nach unserer Vermutung spricht vieles dafür, dass die EZB bei einer vorsichtigen Anpassung ihrer Maßnahmen bleiben wird. Für den kommenden Leitzinstermin auf der Sitzung des EZB-Rats am 10.03.2022 rechnen wir nicht mit einer Änderung der Leitzinsen. Die Einstellung des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) wurde bereits für Ende März angekündigt. Allerdings gilt dies nur für die Nettoankäufe. Auslaufende Wertpapiere aus diesem Programm werden bis Ende 2024 weiter angekauft. Auch für das APP-Programm (Asset-Purchase-Programme) wurde eine Reduktion der Nettoankäufe im Laufe des Jahres 2022 bereits beschlossen. Als geradezu prophetisch könnte sich die Grundsatzaussage aus der Presseerklärung zum letzten Zinstermin vom 16. Dezember 2021 beweisen: „Unter Stressbedingungen wird Flexibilität innerhalb unseres Mandats auch in Zukunft ein Bestandteil der Geldpolitik bleiben, wann immer das Erreichen von Preisstabilität durch Gefahren für die geldpolitische Transmission bedroht ist“. Eine Verschiebung des Auslaufs der Ankaufsprogramme halten wir daher für durchaus im Bereich des Möglichen.

Unabhängig von den Entscheidungen der EZB rechnen wir nicht damit, dass die langfristigen Zinsen erneut sinken werden. Zwar sind zwischenzeitlich Schwankungen möglich, wir halten aber weitere moderate Steigerungen für wahrscheinlich. Eine Zinssteigerung, welche ernsthafte Auswirkungen auf die Stabilität der Immobilienpreise haben könnte, halten wir hingegen für extrem unwahrscheinlich.

 

Disclaimer:
Die Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Gleichwohl übernehmen Anbieter und Autoren keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereit gestellten Informationen. Insbesondere sind die Informationen allgemeiner Art und stellen keine rechtsbindende Beratung dar.   

Herausgeber

Francesco Fedele und Prof. Dr. Steffen Sebastian

Francesco Fedele    Prof. Dr. Steffen Sebastian

Prof. Dr. Steffen Sebastian
Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung
an der IREBS, Universität Regensburg

Francesco Fedele
CEO, BF.direkt AG

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