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03. Dezember 2021

EZB ist bei Inflation entspannt, bei Immobilienpreisen dagegen besorgt

Das Thema Inflation dominiert derzeit landesweit die Diskussionen. Der Europäischen Zentralbank bereitet aber etwas anderes größere Sorgen: Deutsche Wohnimmobilien verzeichnen im dritten Quartal 2021 den größten Preisanstieg seit mehr als 20 Jahren. Die EZB fordert daher die Bundesbank auf, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wie Eingriffe in die Wohnimmobilienfinanzierung aussehen können, zeigt Frankreich.

Der Verbraucherpreisindex für Oktober ist im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent gestiegen, im November wurde sogar die Fünf-Prozent-Marke übersprungen; eine höhere Inflationsrate gab es zuletzt im August 1993. Dennoch sind übertriebene Inflationssorgen unbegründet. Viele der Sondereffekte, die für den aktuell hohen Wert sorgen, sind temporär. Weiterhin sind hohe Nahrungsmittel- und Energiepreise der wesentliche Inflationstreiber. Da diese auch in normalen Zeiten stark schwanken, ist für die EZB in der Regel auch die Entwicklung der Kerninflationsrate die wesentliche Bezugsgröße – und die ist nur um 2,9 Prozent gestiegen. Gegenüber 2019, also ohne die pandemiebedingten Sondereffekte, ist die Kerninflationsrate – das ist die Inflationsrate ohne Energie, Treibstoffe, und Nahrungsmittel – sogar nur um 1,7 Prozent p.a. gestiegen. Entsprechend sieht die EZB derzeit keine Gründe für Zinsanhebungen.

Trotzdem haben Gewerkschaften die diesjährige Inflation zum Anlass genommen, in anstehenden Tarifverhandlungen deutlich höhere Löhne zu fordern. Dies birgt das Risiko einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale: Löhne und Preise schaukeln sich wechselseitig auf, weil Gewerkschaften als Inflationsausgleich höhere Löhne fordern und Unternehmen daraufhin ihre Produkte verteuern. Eine Lohn-Preis-Spirale könnte die Inflation dauerhaft ansteigen lassen. In den jüngsten Tarifverhandlungen wurden im öffentlichen Dienst 2,8 Prozent Lohnerhöhungen vereinbart; für das Baugewerbe und im Groß- und Einzelhandel sogar nur zwei Prozent. Ein Startschuss für eine Lohn-Preis-Spirale ist das nicht. Für nächstes Jahr stehen Tarifverhandlungen im Versicherungsgewerbe, der chemischen Industrie und der Eisen- und Stahlindustrie an. Sollten die vereinbarten Lohnerhöhungen auch in anderen Sektoren moderat bleiben, wären weitere Preiserhöhungen unwahrscheinlich.

Mehr als die Inflation scheint der EZB die Preisentwicklung deutscher Immobilien Sorge zu bereiten. Wohnimmobilien haben in Deutschland im dritten Quartal 2021 den größten Preisanstieg seit Beginn der Jahrtausendwende zu verzeichnen. Gegenüber dem Vorjahresquartal sind die Preise um 10,9 Prozent gestiegen. Die EZB fordert daher die Bundesbank auf, sogenannte makroprudenzielle Maßnahmen einzuleiten, um die Finanzmarktstabilität zu sichern. Für Wohnimmobilien hat die Bundesbank drei Möglichkeiten: Sie kann erstens eine Obergrenze für das Verhältnis von Darlehen zu Verkehrswert festlegen, zweitens einen Zeitraum vorgeben, innerhalb dessen ein bestimmter Anteil des Darlehens zurückgezahlt sein muss, und drittens bei endfälligen Darlehen eine maximale Laufzeit vorgeben. Dies gilt grundsätzlich sowohl für private als auch für gewerbliche Kreditnehmer, nicht aber für Gewerbeimmobilien

In Frankreich wird es ab 2022 eine Begrenzung für Immobiliendarlehen geben. So dürfen Haushalte nicht mehr als 35 Prozent ihres Einkommens für den Schuldendienst aufwenden. Die Bundesbank hingegen hält den sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer derzeit weiterhin für ausreichend. Das heißt: Die Banken müssen für eine Zinswende selbst vorsorgen – gerade, wenn viele laufende Kreditverträge niedrige Zinsen aufweisen.

Zinsentwicklung

Im November haben sich die langfristigen Zinsen wenig verändert. So betrug der 10-Jahres-Zinsswap am Monatsanfang 0,24 Prozent und 0,15 Prozent am Monatsende. Die kurzfristigen Zinsen blieben ebenfalls auf einem konstanten Niveau. Der 3-Monats-Euribor sank von -0,567 am Monatsanfang auf -0,573 Prozent am Monatsende. Der 6-Monats-Euribor sank von -0,534 auf -0,538 Prozent.

2021-12-02_Zinsentwicklung November.png

Ausblick

Die derzeitige hohe Inflation ist auf kurzfristige Sondereffekte zurückzuführen, was in diesjährigen Tarifverhandlungen Berücksichtigung finden sollte. Auch die EZB hält die hohen Inflationsraten für vorübergehend, weshalb Zinsanhebungen im Euroraum im nächsten Jahr weiter unwahrscheinlich sind – auch vor dem Hintergrund der anhaltenden Pandemie. Der Markt hat aber dennoch deutlich auf die Inflation reagiert. Vor allem für langfristige Festschreibungen sind weitere Zinssteigerungen nicht auszuschließen.

Die EZB wird weiterhin vor Preisübertreibungen am deutschen Immobilienmarkt warnen. Dennoch zeigt die Bundesbank derzeit keinerlei Interesse an einem direkten Eingriff in die Vergabe von Immobiliendarlehen. Dass es andere Wege gibt, zeigt das Beispiel Frankreich: Dort ist eine Beschränkung der Darlehensvergabe kein Tabu.

 

Disclaimer:
Die Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Gleichwohl übernehmen Anbieter und Autoren keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereit gestellten Informationen. Insbesondere sind die Informationen allgemeiner Art und stellen keine rechtsbindende Beratung dar.   

Herausgeber

Francesco Fedele und Prof. Dr. Steffen Sebastian

Francesco Fedele    Prof. Dr. Steffen Sebastian

Prof. Dr. Steffen Sebastian
Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung
an der IREBS, Universität Regensburg

Francesco Fedele
CEO, BF.direkt AG

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